Mario: Von der Stasi fertig gemacht

Shownotes

Michael Schwartz Lebenssituationen homosexueller Männer im geteilten Berlin 1949 bis 1969 file:///Users/janinefunke/Downloads/10.1515_9783110454802-007.pdf

https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/265466/schwule-und-lesben-in-der-ddr

Liebe, Sex & Sozialismus: Vom intimen Leben in der DDR, von Josie McLellan;

Thinius, Bert: Erfahrungen schwuler Männer in der DDR und in Deutschland Ost, in: Wolfram Setz (Hg.): Homosexualität in der DDR, Materialien und Meinungen. Hamburg 2006, S. 13-17.

Quellen und Materialien

Interview mit dem Aktivisten Wolfgang Beyer https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/homosexuelle-in-der-ddr-wir-fordern-eine-aufarbeitung-der-bewegung/26019936.htm

Dokumentarfilm über Mario Röllig (leider nicht frei verfügbar) http://der-ost-komplex.de/de/der-film/

Auf Youtube findet man auch den sehenswerten Film Das Ministerium für Staatssicherheit – Alltag einer Behörde

https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Ministerium_f%C3%BCr_Staatssicherheit_%E2%80%93_Alltag_einer_Beh%C3%B6rde

https://www.youtube.com/watch?v=0LB3Vy9Gc2o

Interview mit dem Aktivisten Christian Pulz über die Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR https://www.youtube.com/watch?v=0O7HM_1UuwA

Zu Hohenschönhausen:

https://www.google.de/books/edition/Gefangen_in_Hohensch%C3%B6nhausen/oVOQGAAACAAJ?hl=de

Host und Redaktion: Janine Funke Host: Florian Prokop Skript und Recherche: Fabian Dietrich Produktion: KOOPERATIVE BERLIN Sprecher Hörspielteil: Sebastian Matthias Weißbach

Musik: Sounddesign: Mainland Media Komposition: Joscha Grunewald ©©Disaster of Music: Be what you are ©©Airtones: Bluenotes ©©Monologe Rockstars: At the Restaurant ©©Doxent Zsigmont: Ghostly Ambience ©©Apoxode: Stasis Chamber

Website: youngnfree.de Insta: youngandfree_truestories

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“Young&Free”

Jungsein und Freisein in der DDR & heute

Folge 2

(Start mit Schnipsel und Jingle, ca. 20-30 sek.)

F: Hallo und herzlich Willkommen zur zweiten Folge von Young & Free! Wir wollen hier bei Young & Free darüber sprechen, wie es war in der DDR jung zu sein – und frei zu sein & was das mit uns heute zu tun hat. Wir erzählen hier echte Geschichten - True Stories- von echten Menschen! In unserer heutigen Folge geht es um Verrat. Ihr erinnert euch vielleicht noch an Folge 1, in der Konstanze von ihrer Freundin bespitzelt wurde. Ihr fragt euch bestimmt auch: Wie kommen Menschen eigentlich dazu, so etwas zu tun? Außerdem geht es um Homosexualität. Auch in der DDR gab es natürlich Jugendliche, die merkten, dass Sie schwul oder lesbisch sind. Aber wie lief ein Coming Out damals ab? Konnten sich Männer einfach so daten? Oder war das gefährlich?  

F: Mein Name ist Florian Prokop, ich freu mich, in dieser und den nächsten Folgen wahre Stories von Menschen zu erfahren, die für ihre Freiheit gekämpft haben – und was sie dafür in Kauf nehmen mussten. 

F: Ich bin hier aber nicht allein. Mit dabei ist die Historikerin Janine Funke. Hallo Janine!

J: Hallo Flo!

F: Janine kennst sich mit der Forschung zur DDR aus und wird mir helfen, die Geschichte, die wir gleich hören werden, besser zu verstehen. Und sie hat mit den Menschen hinter den Geschichten gesprochen!

J: Genau! Und darum will ich noch einmal daran erinnern: Das ganze hier ist eine Nacherzählung. Wir haben mit Zeitzeug:innen gesprochen und erzählen ihre Geschichte nach. Um das ganze Einzuordnen, haben wir uns mit aktueller Forschung beschäftigt und wollen die vielen komplizierten Dinge, die Historiker:innen in dicke Bücher schreiben, hier zusammen fassen. 

F: Und die Quellen dazu, findet ihr in den Shownotes. Unsere heutige Geschichte beginnt im Jahr 1986, da wird es die DDR nicht mehr lange geben, aber das weiß damals natürlich noch keiner.

J: Das stimmt, wenn man in der Zeit lebt, ist es schwer zukünftige Entwicklungen abzuschätzen. Zumal der Zusammenbruch eines ganzes Staates sehr komplex ist, da spielen viele unheimlich viele Faktoren mit rein, zum Beispiel wirtschaftliche und politische Faktoren. Die Wirtschaft der DDR war in den 1980er Jahren reformbedürftig und verschuldet. Auch politisch was das Land in einer Krise. Das sieht man zum Beispiel daran, dass Mitte der 1980er Jahre extrem viele Ausreiseanträge gestellt wurden. 

F: Also Mario, um dem es hier geht, hatte wahrscheinlich keine Ahnung, wie es um die DDR 1986 stand. Er war damals 19 Jahre alt, wohnte in Ostberlin und war eigentlich ein total unpolitischer Typ. Er sagt heute: Die Politik der DDR war ihm damals komplett egal. Wie viele Menschen hatte er sich ganz gut eingerichtet. Mario schaute Westfernsehen und hörte die selbe Musik, die auch ein Jugendlicher aus der Bundesrepublik damals hörte. 80er Jahre Pop von Depeche Mode bis Falco. 

Marios Start in die Erwachsenenwelt lief auch ziemlich gut. Er hatte hat einen coolen Job in der Gastronomie, verdiente im Vergleich zu anderen Jugendlichen sehr viel Geld, wusste, dass er schwul war und stand dazu. Zumindest seinen Freunden hatte er das schon gesagt und die akzeptierten ihn so wie er war. Dass es in diesem Jahr 1986, als er gerade einmal 19 Jahre alt war, so gut lief, dass lag auch an Gottfried, einem älteren Mann aus Westberlin, mit dem er eine Fernbeziehung führte. Gottfried besuchte ihn in Ostberlin. Die beiden fuhren nach Ungarn in den Urlaub. Wie so eine Liebesgeschichte zwischen Ost und West-Deutschland funktionierte haben wir ja schon in der ersten Folge besprochen. Ihr wisst also: Die einen konnten die anderen besuchen, andersrum ging das nicht. Falls ihr Folge 1 noch nicht gehört habt, könnt ihr das ja direkt nach dieser hier machen. 

Marios Start in die Erwachsenenwelt lief auch ziemlich gut. Er hatte hat einen coolen Job in der Gastronomie, verdiente im Vergleich zu anderen Jugendlichen sehr viel Geld, wusste, dass er schwul war und stand dazu. Zumindest seinen Freunden hatte er das schon gesagt und die akzeptierten ihn so wie er war. Dass es in diesem Jahr 1986, als er gerade einmal 19 Jahre alt war, so gut lief, dass lag auch an Gottfried, einem älteren Mann aus Westberlin, mit dem er eine Fernbeziehung führte. Gottfried besuchte ihn in Ostberlin. Die beiden fuhren nach Ungarn in den Urlaub. Wie so eine Liebesgeschichte zwischen Ost und West-Deutschland funktionierte haben wir ja schon in der ersten Folge besprochen. Ihr wisst also: Mario hatte es jedenfalls ganz gut in der DDR, wie er heute sagt. Doch dann kippte das Ganze innerhalb von zwei, drei Wochen komplett. Das, was sich eben noch so gut anfühlte, wurde zum Albtraum. Zwei fremde Männer tauchten auf, und die stellten Mario vor eine Entscheidung”, die sein Leben krass verändern sollte. 

Marios Start in die Erwachsenenwelt lief auch ziemlich gut. Er hatte hat einen coolen Job in der Gastronomie, verdiente im Vergleich zu anderen Jugendlichen sehr viel Geld, wusste, dass er schwul war und stand dazu. Zumindest seinen Freunden hatte er das schon gesagt und die akzeptierten ihn so wie er war. Dass es in diesem Jahr 1986, als er gerade einmal 19 Jahre alt war, so gut lief, dass lag auch an Gottfried, einem älteren Mann aus Westberlin, mit dem er eine Fernbeziehung führte. Gottfried besuchte ihn in Ostberlin. Die beiden fuhren nach Ungarn in den Urlaub. Wie so eine Liebesgeschichte zwischen Ost und West-Deutschland funktionierte haben wir ja schon in der ersten Folge besprochen. Ihr wisst also: -------------

Marios Start in die Erwachsenenwelt lief auch ziemlich gut. Er hatte hat einen coolen Job in der Gastronomie, verdiente im Vergleich zu anderen Jugendlichen sehr viel Geld, wusste, dass er schwul war und stand dazu. Zumindest seinen Freunden hatte er das schon gesagt und die akzeptierten ihn so wie er war. Dass es in diesem Jahr 1986, als er gerade einmal 19 Jahre alt war, so gut lief, dass lag auch an Gottfried, einem älteren Mann aus Westberlin, mit dem er eine Fernbeziehung führte. Gottfried besuchte ihn in Ostberlin. Die beiden fuhren nach Ungarn in den Urlaub. Wie so eine Liebesgeschichte zwischen Ost und West-Deutschland funktionierte haben wir ja schon in der ersten Folge besprochen. Ihr wisst also: Hörspiel 1

Marios Start in die Erwachsenenwelt lief auch ziemlich gut. Er hatte hat einen coolen Job in der Gastronomie, verdiente im Vergleich zu anderen Jugendlichen sehr viel Geld, wusste, dass er schwul war und stand dazu. Zumindest seinen Freunden hatte er das schon gesagt und die akzeptierten ihn so wie er war. Dass es in diesem Jahr 1986, als er gerade einmal 19 Jahre alt war, so gut lief, dass lag auch an Gottfried, einem älteren Mann aus Westberlin, mit dem er eine Fernbeziehung führte. Gottfried besuchte ihn in Ostberlin. Die beiden fuhren nach Ungarn in den Urlaub. Wie so eine Liebesgeschichte zwischen Ost und West-Deutschland funktionierte haben wir ja schon in der ersten Folge besprochen. Ihr wisst also: Verlockung

(Sound: swoosh , dann Ticker über Datum) 

(Sound: Frühling und Sommer 1986. Der bis dahin größte Atomunfall der Geschichte ereignet sich Ende April im Atomkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine. Zwei Monate später verliert das westdeutsche Fußball-Team im WM-Finale gegen Argentinien. Die DDR fliegt schon in der Qualifizierung raus. Im gleichen Jahr bekommen die Jugendlichen in der DDR endlich eine eigene Radiostation, DT64 spielt Popmusik aus den britischen, amerikanischen und westdeutschen Charts. 

(Sound: (Gedämpfte Unterhaltungen in fremden Sprachen, Klirrendes Geschirr, Flughafen-Durchsagen).

(Sound: Herbst 1986. Das Mitropa Flughafenrestaurant Berlin-Schönefeld ist ein glamouröser Ort. So viele Menschen aus dem Ausland sieht man sonst selten in der DDR. Sie tragen Schulterpolster, bunte Hemden, Baseballkappen und Levi’s Jeans. Sie riechen nach Parfums von Jil Sanders und Calvin Klein - alles Dinge, die es in der DDR nicht zu kaufen gibt. Während die Gäste auf ihren Flug warten, essen sie mit Käse überbackenes Steak, Letscho Eintopf und Soljanka.

(Sound: (Flugzeuggeräusche)

(Sound: Vor den Scheiben des Panoramafensters im Restaurant starten und landen Maschinen aus aller Welt. Schönefeld ist der Zentralflughafen der DDR, aber auch viele Westberliner kommen in Bussen hierher. Schönefeld ist das wichtigste Drehkreuz in Ostdeutschland. 53 Ziele auf vier Kontinenten erreicht man von diesem Flughafen.

(Sound: (Restaurantgescäusche,Fahrstuhlmusik)

(Sound: Zwischen den Tischen tänzelt ein junger Mann umher. Mario. Er ist 19 Jahre alt und arbeitet als Kellner. Trägt eine schwarze Hose, ein weißes Hemd, eine rote Weste und eine Fliege. Seine braunen Locken fallen ihm in die Stirn. Wenn Mario die Gäste bewirtet, ist er gut drauf.  Er bezirzt sie regelrecht, macht Komplimente, ist charmant. Je besser er sich mit ihnen versteht, desto mehr wertvolles Westgeld stecken sie ihm zu. Mario liebt seinen Job und dieses schnelle, leichte Leben. Eigentlich wollte er Schauspieler werden. Jetzt ist das Flughafenrestaurant seine Bühne und er ist hier der Star. Mario bestimmt, wer einen Tisch bekommt und wer nicht. Das Restaurant ist so beliebt, dass es eine Warteschlange gibt. Leute, die ihm gefallen, winkt er nach vorne. Andere weist er zurück. Der Kunde ist König, aber der Kellner ist Kaiser. Das ist Marios Lieblingssprichwort.

(Sound:

(Sound: An diesem Tag passt ihn sein Chef im Restaurant ab. Er soll mit ins Büro kommen.

(Stimme: Mario, kommst du mal bitte. Tür schließt sich, Bürosound:  

(Stimme: leises Flüstern, Restaurantgeräusche werden leiser, Schritte die ins Büro führen, dann leises Lüftungsgeräusch, entfernte Restaurantgeräusche

(Stimme: Im Büro warten zwei Männer mit spießigen Anzügen auf ihn. Mario hat sie noch nie gesehen. Die Gesichter der beiden sind ernst. Vor ihnen auf dem Schreibtisch liegt eine aufgeschlagene Restaurant-Personalakte. Mario erkennt seinen Namen. Es ist seine Akte. “Setzen Sie sich”, sagt einer der Männer. Ohne sich vorzustellen, redet der Mann weiter. “Wir sind mit ihren Arbeitsleistungen sehr zufrieden, Herr Röllig”. Mario bedankt sich vorsichtig. “Eine Sache gibt es aber. Ihre Kontaktbemühungen zu Personen des westlichen Auslands, die gefallen uns überhaupt nicht.” Bäm. Mario ist verwirrt. 

(Stimme: (Hier Sound der Spannung aufbaut / Drones)

(Stimme: Kontaktbemühungen? Personen des westlichen Auslands? Was wollen diese Typen? Wer sind sie? Warum reden sie so komisch? Was meinen die mit Kontaktbemühungen? Geht es um die Gäste im Restaurant? 

(Stimme: Doch dann hat er eine Ahnung. Die meinen Gottfried! Seinen Freund aus Westberlin. Er erstarrt.

(Stimme: (Sound-Break Trenner)

(Stimme: Mit Gottfried ist Mario seit einem Jahr zusammen. Gottfried ist schon über 40, arbeitet in der Wirtschaftspolitik, hat Geld, Geschmack und alle möglichen Beziehungen. Regelmäßig kommt er Mario besuchen. Die beiden treffen sich in feinen Hotels und Restaurants. Gottfried erfüllt Mario jeden Wunsch. Einmal hat er ihm sogar Backstagekarten für ein Falco Konzert in Budapest besorgt.  

(Stimme: (Trenner)

(Sound: Bürosound)

(Sound: Wen ich treffe oder nicht, das ist doch meine Sache, denkt Mario. “Das geht Sie gar nichts an!”, ruft er mit ernsten Blick.

(Sound:  Ordner wird auf den Tisch geknallt, Drones)

(Sound: “Wen sie treffen oder nicht, das bestimmen wir”, schneidet ihm einer der Männer das Wort ab. Wir sind vom Ministerium für Staatssicherheit. Es ist ihre Pflicht als DDR Bürger mit uns zusammenzuarbeiten!“

(Sound: Mario senkt den Blick, Falten bilden sich auf seiner Stirn. Er hat Angst. Ministerium für Staatssicherheit? Die Stasi? Warum soll er mit der Stasi zusammenarbeiten? “Geben sie uns Informationen”, sagen einer der Männer mit ernster Stimme.  “Erzählen sie einfach ein bisschen was über ihren Freund aus Westberlin. Schwächen, Stärken, Charakter, politische Einstellung, Arbeitsumfeld. Freundeskreis.”

(Sound: Mario schaut die Männer entgeistert an, dann senkt er den Kopf. 

(Sound: Als er nicht antwortet, bieten ihm die beiden Männer eine spektakuläre Belohnung an. Sie versprechen Dinge, die für einen 19 jährigen in der DDR eigentlich unerreichbar sind. 

(Sound: Dreamy, Glitzer, frohlockende Musik)

(Sound: Ein Auto, auf das man nicht 10 Jahre, sondern nur zwei Wochen warten muss. Sogar die Farbe dürfe er sich aussuchen! Eine eigene Wohnung in einem Berliner Stadtbezirk seiner Wahl. Er könnte endlich ausgehen so oft und so lange er will! Seine Eltern hätten ihm nichts mehr zu sagen. Er wäre endgültig frei. 

(Sound: Swoosh Out) 

(Sound: Kontextualisierung 1

F: Boah Krass. Was für eine Verlockung für Mario! Bevor wir gleich hören wie er sich entscheidet, würde mich interessieren, ob das öfter passiert ist. Dass die Stasi Menschen anwirbt, um Informationen zu beschaffen. Mario war da doch bestimmt kein Einzelfall, oder, Janine?

J: Nein, das war kein Einzelfall. Die Stasi, also das Ministerium für Staatssicherheit und damit der Geheimdienst der DDR, hatte ein großes Netzwerk an Mitarbeiter:innen - im Inland und im Ausland. Es gab sogenannte “hauptamtliche Mitarbeiter”...

F: Das sind die beiden Männer, die Mario versuchen zu erpressen.

J: Genau. Und es gab sogenannte “inoffizielle Mitarbeiter”, IM`s. Davon sollte Mario einer werden. Es gab viel mehr IMs als hauptamtliche Mitarbeiter, 1989 waren es 180.000. Das heißt pro 100 DDR-Einwohner gab es etwa 1 IM.  Es ging um eine flächendeckende Überwachung der Gesellschaft. Darum kamen die IMs auch aus allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen. Sie arbeiteten heimlich mit der Stasi zusammen. Einige freiwillig, zum Beispiel aus politischer Überzeugung. Viele wurden aber erpresst und gaben am Ende aus Angst vor der Stasi  Informationen weiter. 

F: Warum war Mario eigentlich so interessant für die Staatssicherheit? 

J: Mario hatte einen Kontakt nach Westberlin, von dem man sich wohl brauchbare Informationen über die Bundesrepublik erhoffte. Gottfried fädelte damals Wirtschaftsgeschäfte zwischen Westdeutschland und Osteuropäischen Staaten wie Ungarn ein. Das war es natürlich spannend für die Stasi zu wissen, was da verhandelt wurde, um welche Produkte es ging, zu welchen Preisen und so weiter.  

F: Mich würde noch was anderes interessieren: Mario war ja schwul und er hatte eine Liebesbeziehung mit diesem Mann aus Westberlin. Heute ist das vielleicht nix Besonderes. Aber damals? Der Mario scheint das ja recht offen auszuleben. 

J: Wir müssen hier zwischen zwei Punkten unterscheiden: Zum einen der rechtliche Situation von Homosexuellen und zum anderen die gesellschaftliche Haltung gegenüber Homosexuellen. Der Paragraph 175, der Homosexualität in Deutschland lange unter Strafe stellte und in der Zeit des Nationalsozialismus nochmal verschäft wurde, wurde 1968 in der DDR abgeschafft. 

F: Das Strafrecht der DDR war in diesem Punkt also recht liberal, auch im Vergleich zur Bundesrepublik.

J: Richtig. Und der andere Punkt war die gesellschaftliche Hatlung. Da war es anders. Homosexuelle wurden in der DDR – genau wie in West-Deutschland - diskriminiert und waren quasi unsichtbar. Anfang der 1980er Jahre begann sich das langsam zu ändern, es gründeten sich in Ostdeutschland erste Arbeitskreise und Initiativen um Homosexualität sichtbarer zu machen und aufzuklären. Aber das dauerte.

F: Und ich kann mir vorstellen, dass es einen Unterschied machte, ob man in einer großen Stadt  wohnte, oder in einem Dorf. Mario wohnte in Ost-Berlin, da war es sicher nochmal leichter, andere homosexuelle Männer zu treffen. Wie war das denn für Mario persönlich, wie hat er sein Coming-Out erlebt? Gab es in der DDR auch die Vorstellung, Homosexualität ist eine Krankheit und kann geheilt werden? 

J: Definitiv. Auch in der DDR gab es diese Vorstellung. Man dachte zum Beispiel erwachsene Männer, die homosexuell sind, wären eine Gefahr für Jugendliche. Und es gab natürlich kaum Aufklärung. Mario sagt heute, er hatte am Anfang keine Ahnung, was mit ihm los ist. Männer zogen ihn an, aber er wusste nicht, was das bedeutete. Er ist sogar zum Arzt gegangen. 

F: Echt? Und wie hat der reagiert? 

J: Und da hatte er mega Glück, der Arzt war selber schwul und hat ihn aufgeklärt. Mario erinnert sich bis heute an die Worte des Arztes: “Junge, du bist völlig in Ordnung. Pass einfach ein bisschen auf, wem du dich offenbarst, damit dich keiner zusammenschlägt.”

F: Das ist leider etwas, was Menschen, die LGBTI + sind, bis heute passiert. 

J: Sexuelle Minderheiten wurden auch in der DDR diskriminiert. Auch wenn es strafrechtlich in der DDR relativ wenige Verurteilungen gab, hat das DDR-Regime sexuelle Minderheiten zwar geduldet, aber nicht akzeptiert. Wenn man sich outet, musste man damit rechnen ausgeschlossen und diskriminiert zu werden. 

F: Puh, heftig. 

F: Aber jetzt will ich unbedingt wissen, wie das denn weiter geht. Er bekommt also die tollsten Sachen versprochen, die man sich vorstellen kann. Ne Wohnung. Ein Auto. Man sagt ihm, dass es seine Pflicht als guter Bürger ist da ein paar Sachen zu erzählen. Mhm, da fragt man sich immer, wie man selber in so einer Situation handeln würde. Ich könnte das nicht sagen.

J: Das ist auch schwer. Wir können zwar über Geschichte reden, aber es ist schwer sich aus der heutigen Perspektive in die Situation der Menschen von damals zu versetzen. 

F: Das stimmt wohl. Dann hören wir mal rein, wie es weiter geht.

F: --------------

F: Hörspiel 2

F: Ein selbstbewusster, junger Mann

(Sound:   Swoosh, Ticker über Datum)

(Sound: November 1986. Flughafen Schönefeld, südöstlich von Berlin. Draußen starten und landen die Flugzeuge, drinnen im Büro der Mitropa-Gaststätte ist es so still, dass Mario seinen eigenen Herzschlag hören kann. Er muss eine Entscheidung treffen.  

(Sound: (Bürosound, wie oben.)

(Sound: “Ich bekomme wirklich eine eigene Wohnung und kann mir den Stadtteil von Berlin aussuchen?”, durchbricht Mario das Schweigen. Die beiden nicken. Er hebt den Kopf und blickt die Stasi-Männer direkt an. “Na dann…Dann will ich bitte ne Wohnung in Charlottenburg. Ich will nach Westberlin!”

(Sound: Stille. Die Gesichter der Beamten verfinstern sich. Das war eine klare Provokation. Mario weiß, dass sie ihn niemals nach Westberlin lassen.. 

(Sound: Er blickt die Männer selbstbewusst an. Nie im Leben würde er Gottfried verraten! 

(Sound: (Sound Stühle rücken) 

(Sound: Wütend stehen die beide Männer auf.  “Herr Röllig, vergessen Sie dieses Gespräch. Es hat nie stattgefunden! Erzählen sie niemandem davon!”

(Sound: Trenner, Kurz Flughafengeräusch, dann wieder Wechsel in den Bürosound)

Dann ist alles wie immer. Drei Wochen lang. Mario hat die beiden Männer schon fast vergessen. Aber dann ruft ihn sein Chef wieder in sein Büro. Sie sind wieder da, die Männer von der Stasi. Und blicken ihn an. Starr. Eindringlich. Mario schaut zu seinem Chef. Sein Chef sagt gleichgültig: “Ihre Stelle ist aus Kostengründen gestrichen worden. Von jetzt an müssen Sie ihre Ausbildung woanders fortsetzen.”

(Soundwechsel: S-BHF Geräusche, fahrende SBahnen, lautes Tellergeklapper, Rufe, schrille Frauenstimme im Hintergrund)

(Soundwechsel: Am nächsten Tag muss Mario seine neue Stelle antreten. Er findet sich in der Tellerwäscherei eines schäbigen Selbstbedienungsimbisses im S-Bahnhof Schöneweide wieder. Kein Trinkgeld mehr. Kein flanieren zwischen den Tischen. Für Mario ist dieser neue Job eine Qual. Von Früh bis spät. Um vier Uhr morgens muss er aufstehen, fährt müde und traurig mit der S-Bahn durch die Dunkelheit. Das Klima im Imbiss ist fürchterlich. Seine neue Chefin scheint ihn zu hassen, schreit  permanent herum. “Mario tu dies. Tu das. NEIN so nicht. Wie kann man denn so doof sein.”

Sound: Trenner 

Sound: Drones 

Sound: Mario will kündigen. Aber die beiden Stasi-Männer drohen ihm. Sie würden ihn bestrafen. Wegen asozialen Verhaltens. Er würde ins Gefängnis kommen. Jeden Tag denkt er an die letzten Worte, die die Stasi-Männer zu ihm sagten. An dem Tag, an dem er das letzte Mal im Flughafenrestaurant war.  “Sie werden ihr ganzes Leben lang Teller waschen. Es sei denn, Sie arbeiten mit uns zusammen. Dann wartet ihre alte Stelle auf Sie.”

Sound: Swoosh 

Sound: ------------

Sound: Kontextualisierung 2

F: Oh Mann. Das ist ja heftig. Jetzt weiß ich was du damit meinst, mit die Stasi wusste, wie man Menschen einschüchtert!

J: Kann man so sagen. Das unbeschwerte Leben von Mario war dann auf jeden Fall vorbei. Anfangs hatte er sich so geschämt, dass er niemandem von der Sache erzählt hatte, aber im Frühjahr 1987 gestand er die ganze Situation seinem Freund Gottfried. Gottfried fand, die beiden sollten sich nicht mehr sehen. Das sei ihm einfach zu gefährlich.

F: Uff. Bitter. Also der Freund, der einem tolle Konzertbesuche und Urlaube ermöglicht, ist weg. Der Job ist weg. Da bleibt ja nicht mehr viel.

J: Und auch Mario wusste irgendwann keinen Ausweg mehr. Er war total ohnmächtig. Gottfried hatte ihm geraten, über Ungarn in das damalige Jugoslawien zu fliehen um von dort aus dann weiter nach Westeuropa und in die Bundesrepublik zu kommen. Er hatte ihm sogar 1000 Mark Westgeld gegeben.  Mario fand irgendwann auch, das sei seine einzige Möglichkeit aus dieser Situation zu kommen. 

F: Darüber, wie dramatisch so ne Flucht ablaufen kann, haben wir ja schon in der ersten Folge etwas erfahren. Nur zur Erinnerung: Konstanze hat sich in einem Kofferraum versteckt und so versucht über die innerdeutsche Grenze zu kommen. Mario flieht jetzt über das Ausland. Hatte er mehr Erfolg? 

J: Ich fürchte, ich muss dich wieder enttäuschen, auch diese Flucht ging schief. Dazu musst du wissen, das ehemalige Jugoslawien

J: heute das Gebiet des westichen Balkans -

J: war ein sogenannter “Blockfreier Staat” mitten zwischen den zwei Machtblöcken in Ost und West - also der NATO im Westen und des Warschauer Paktes im Osten. 

F: Also Jugoslawien war neutral und deswegen konnte man theoretisch von da fliehen? Ist Mario denn soweit gekommen?

J: Wichtig zu wissen ist: Seit Mitte der 1970er Jahre wurde es immer leichter nach Westeuropa zu kommen, wenn man einmal über die Grenze nach Jugoslawien gekommen ist. Das wusste auch die DDR-Regierung und die Grenze war von Ungarn ausgehend extrem gut gesichert. Mario fuhr ohne großen Plan nach Südungarn und lief nachts in die Richtung, in der er meinte, dass da Jugoslawien sein könnte. Es war schwer zu der Zeit, brauchbare Landkarten zu kaufen. Er dachte schon, er hat es geschafft, aber dann hörte er Schüsse. Die kamen von einem ungarischen Bauern, der hat ihn festnahm und bei der Grenzpolizei ablieferte. Dafür bekam der Bauer ein Kopfgeld. Aus einem Gefängnis in Ungarn wurde er dann wieder in die DDR gebracht.

F: Oh man. Wieder so eine tragische Geschichte. Jetzt hat ihn die Stasi ja richtig in der Hand. Hören wir mal, wie es weiter geht.

F: -----------------

F: Hörspiel 3

F: Verräter

(Sound: Swoosh, Ticker über Datum, Drones )

(Sound: Gefägnisgeräusche, Eisenschlösser(riegel!)klappern, Schritte die auf Betonboden verhallen, entfernte Schreie, Wimmern, Auf- un Zuknallen von Türen / Riegelknallen, Futterklappe öffnen und Schließen, Schlüsselbundklappern; Achtung: Türen an sich sind Holztüren ) 

(Sound: Sommer 1987. Das schlimmste ist diese verdammte Einsamkeit. Mario sitzt in einer Gefängniszelle und starrt auf die Glasbausteine, durch die die Sonne schimmert. Die Warterei macht ihn fertig. Tage und Wochen vergehen und nichts passiert. Mario trägt einen blauen Trainingsanzug aus Kunstfasern. Er schwitzt. Die Heizung läuft und der Raum fühlt sich an wie eine Sauna, aus der man nicht heraus kann. Er hat keine Ahnung, dass er sich im Stasi-Gefängnis in Berlin Hohenschönhausen befindet. Ein Gefängnis, das es auf keiner Karte gibt. In das Menschen gebracht werden, die von der Geheimpolizei der DDR verhört werden sollen. Mario wird hier nicht mehr mit seinem Namen angesprochen. Er ist nur noch eine Zahl.

(Stimme: Mitkommen, 328)

(Stimme: Seit seiner Ankunft wird er nur noch mit seiner Häftlingsnummer angesprochen. Einmal in der Woche duschen. Freigang in einem Betonkäfig, den Himmel sieht er nur durch Maschendraht. Sein Bauch wird jeden Tag dicker, weil das Essen so fettig ist und er sich so wenig bewegen darf. Manchmal langweilt er sich. Manchmal glaubt er, verrückt zu werden. Manchmal hat er nur noch Angst.

(Stimme: Er versteht einfach nicht, was hier mit ihm passiert. Eine Weile lang lassen ihn die Vernehmer in Ruhe. Dann holen sie ihn wieder zum Verhör. Fünf Stunden. Acht Stunden. Einmal verhören ihn die Stasi-Leute sogar 22 Stunden am Stück. Immer wieder stellen sie ihm die selben Fragen.

(Stimme: Wer sind die Hintermänner ihrer Flucht?)

Mario sitzt auf einem Hocker in der Ecke des Verhörzimmers. Er stellt sich vor, dass er sich unter einer Glocke aus Glas befindet. Je brutaler das Verhör, je gemeiner die Beschimpfungen, desto mehr macht er dicht. Mario denkt: Ihr könnt mir doch nichts.

Mario sitzt auf einem Hocker in der Ecke des Verhörzimmers. Er stellt sich vor, dass er sich unter einer Glocke aus Glas befindet. Je brutaler das Verhör, je gemeiner die Beschimpfungen, desto mehr macht er dicht. Mario denkt: Manchmal sitzt er in seiner Zelle und überlegt, ob er nicht vielleicht doch irgendwas sagen könnte, um den Druck zu verringern. Er denkt sich etwas aus. Später im Verhör erzählt er von Verbrechen, die nie begangen wurden und von Menschen, die es nicht gibt. Die Stasi prüft jede seiner Aussagen. Lügen hat keinen Sinn. Sie finden alles heraus.

Mario sitzt auf einem Hocker in der Ecke des Verhörzimmers. Er stellt sich vor, dass er sich unter einer Glocke aus Glas befindet. Je brutaler das Verhör, je gemeiner die Beschimpfungen, desto mehr macht er dicht. Mario denkt: Wie lange ist er jetzt hier? Tage? Wochen? Mario zählt die Blätter auf den Blümchen-Tapeten im Verhörzimmer. Es sind 582 Stück. Auf einmal geht die Tür auf und ein Mann betritt den Raum. 

(Sound: Schweres Türenquietschen / Tür öffnet und schließt sich (KEINE EISENTÜR!) 

(Sound: Mario hat ihn noch nie gesehen. Er ist jünger als die anderen. Seine Haut ist gebräunt. Wie aus dem Modekatalog, denkt Mario. Sehr attraktiv. Der schöne Neue schickt alle anderen fort. Er trägt keine Uniform, sondern einen Maßanzug. “Ich muss mich für das Benehmen meines Kollegen entschuldigen. Es tut mir wirklich leid.”, sagt er. Als der Mann sich nähert, fällt Mario auf wie gut er riecht. Mit dem würde ich gerne ein Bier trinken, durchfährt es Mario. Er ähnelt seinem Freund aus Westberlin. 

(Sound: Gefängnissound: entferntes Brüllen) 

(Sound: Dieses Spiel wiederholt sich jeden Tag. Ein Mann in Uniform brüllt ihn an. 

(Sound: Tür öffnet und schließt sich) 

(Sound: Die Tür geht auf, der schöne Mann ohne Uniform kommt rein und alles ist wieder gut. Er gibt Mario das Gefühl, dass er ihm wirklich helfen will.

(Sound: “Denk doch mal nach”, sagt der schöne Mann. “Du kannst mit zwei bis acht Jahren Gefängnis rechnen. Du landest dort mit 15 Mördern in einer Zelle. Für dich, als schwuler Mann, wird das nicht angenehm. Das überlebst du doch nicht. Rede mit uns, dann kommst du hier raus.”

(Sound: Einmal legt er seinen Arm auf Marios Schulter und kommt ihm ganz nah. Er schaltet das Tonband aus, das auf dem Tisch vor Mario steht und sonst immer mitläuft

(Sound: Klicken Tonbandgerät , Stühlerücken) 

(Sound: rückt seinen Stuhl neben Marios. „Also, Sportsfreund. Du siehst, ich bin fair. Es ist zu deinem Besten. Lass uns doch mal Klartext reden.“ 

(Sound: Dann beginnt Mario zu reden. Es fühlt sich an, als ob er sich frei kämpfen und von einer großen Last befreien. Es geht um seine Freunde, Arbeitskollegen, Eltern. Ob die schon mal im Kaufhaus gestohlen hätten? Ob die Fluchtpläne hätten? Oder illegale Geschäfte machten? 25 Stunden verbringt Mario in dieser Woche im Verhörraum. Dann hat er alles gesagt.

(Sound: Swoosh)

(Sound: Kontext 3

F: Also hat Mario am Ende doch geredet. Aber diese Psychospielchen der Stasi waren auch echt krass, die haben ja mega Druck aufgebaut. 

J: Ja, die Stasi war sehr gut darin, Informationen zu beschaffen. Es gibt noch ein spannendes Detail. Als Mario begann zu erzählen, war das Tonband vor ihm ausgeschaltet. Aber im Wandschrank war noch ein zweites Aufnahmegerät versteckt. Das ist auch ein psychologischer Trick, damit die Leute mehr erzählen. 

F: Wie ging es dann mit ihm weiter? 

J: Mario wurde nach drei Monaten aus Hohenschönhausen entlassen. Er wurde von der BRD freigekauft und konnte 1988 nach Westberlin ausreisen. 

F: Aber nach Ende gut, alles gut klingt das nicht. Er hat ja Informationen über andere Menschen weitergegeben. Etwas, was er nie wollte. Wie konnte er denn damit leben? Was hat das denn mit ihm gemacht? 

J: Mario hat sich  auf jeden Fall schuldig gefühlt. So ging es vielen Menschen, die am Ende – wenn auch nur unter schwerstem Druck  - Informationen weitergegeben haben. Nach seiner Ausreise aus der DDR, wollte Mario mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben.. Er hat das Thema verdrängt.

J: Aber wurde irgendwann mit seiner Geschichte konfrontiert. Und zwar durch einen Zufall. Der Mann, den er als “schönen Stasi-Mann” bezeichnete, den hat er zufällig wieder getroffen. Mario war nach dieser Begegnung komplett am Ende. Er hat sogar versucht sich umzubringen. 

F: Das ist heftig. Der trifft also den Typen wieder, der ihn zum Reden gebracht hat und dann kommt alles wieder hoch…

J: Genau. Mario hat sich aber dann entschieden sich seiner Vergangenheit zu stellen. Er machte eine Psychotherapie und kehrte an den Ort seiner Haft zurück. Heute führt er Besucher durch das ehemalige Gefängnis in Hohenschönhausen. Wenn ihr also mal in Berlin seid und das Gefängnis besichtigen wollt, könnt ihr ihn dort treffen. 

F: Eine Sache würde mich aber doch noch interessieren: Was ist mit den Menschen passiert, über die er im Verhör etwas erzählt hat? Sind die dann auch ins Gefängnis gekommen? 

J: Die Frage hat Mario auch total beschäftigt. Er hat seine Stasi Akte eingesehen und daraufhin alle Menschen, über die er im Verhör etwas gesagt hat, eingeladen. Er hat seine Freunde und seine Eltern durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen geführt und ihnen von seiner Haft dort erzählt. Niemand ist nach Marios “Geständnis” damals verhaftet worden. Ein alter Bekannter sagte nach der Führung zu ihm: Du musst dich nicht entschuldigen: Ich hätte an deiner Stelle damals dasselbe getan. 

Flo: Oh, große Erleichterung! Ich habe heute auf jeden Fall wieder ein Stück mehr erfahren, welche Freiheiten und Freiräume sich junge Menschen in der DDR erkämpft aber auch verloren haben; das man durchaus einen richtig guten Job haben konnte aber durch die Stasi auch alles genommen werden konnte und welchen Druck dieses System auf einen ausüben konnte. 

Ich finde auf jeden Fall echt stark, wie sich Mario später noch einmal seiner Geschichte gestellt und das alles aufgearbeitet hat. Und natürlich,  dass er uns von sich erzählt hat.Und damit sind wir auch schon am Ende der 2. Folge von Young & Free. Wenn es euch gefallen hat, dann abonniert uns. In der nächsten Episode haben wir eine neue, spannende True Story für euch. Ich darf schon mal verraten: Es geht um einen Menschen, der aus einem anderen Land kam und in der DDR eine neue Heimat fand. Ich bin Florian Prokop. Young & Free ist ein Podcast der KOOPERATIVE BERLIN, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Bundesprogramm „Jugend erinnert“ und unterstützt von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

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